Warum Bewerber*innen sich auf unpassende Stellen bewerben..?

unpassende Bewerbungen Jobberie

Recruiter*innen sind die Aschenbrödel der Arbeitswelt. Frei nach dem Motto „Die guten ins Töpfchen“ besteht ein wesentlicher Anteil der Arbeit darin, die passenden von den unpassenden Bewerbungen zu trennen.

Dabei stellt sich natürlich die Frage, was man tun kann, um unpassende Bewerbungen zu vermeiden. Die Antwort ist dabei so schlicht, wie ernüchternd: Recht wenig…

Lea Kaiser hat im Rahmen ihrer Masterarbeit an der Universität Wien das Phänomen der „inadäquaten Bewerbungen“ von Hochschulabsolventen untersucht. Ihre Arbeit liefert einige Aufschlüsse.

Auch Unternehmen setzen auf inadäquate Bewerber*innen

Es sind jedoch nicht nur Bewerber*innen, die sich – mir nichts, dir nichts – auf Stellenangebote bewerben, die unpassend erscheinen. Auch Unternehmen setzen immer wieder gezielt auf Bewerber*innen, die höher qualifiziert sind.

„Überqualifizierung kann eine wertvolle personelle Ressource darstellen, die bei richtiger Nutzung einen entscheidenden Beitrag zum Erfolg des Unternehmens leisten kann. Überqualifizierte MitarbeiterInnen sind TrägerInnen von zusätzlichen Fähigkeiten, Wissen und auch Erfahrungen, die nicht nur Teammitgliedern des/der ArbeitnehmerIn helfen können, sondern auch dem Unternehmen selbst.“ (Kaiser, Seite 3; 2021).

5 Hypothesen, die bestätigt werden konnten

Kaiser konnte in ihrer Arbeit fünf von sechs aufgestellten Hypothesen verifizieren. „Absolvent*innen bewerben sich eher auf inadäquate Stellenangebote, wenn…

  • … die dargestellte Arbeit für sie interessant ist.
  • … das Gehalt überdurchschnittlich ist.
  • … die Sicherheit der Arbeitsstelle gegeben ist.
  • … die Stelle ein gutes Betriebsklima bietet.“
  • … innerhalb der Organisation Aufstiegsmöglichkeiten bestehen.“ (Kaiser; Seiten 35-38; 2021)

Die Arbeitshypothese, dass Absolvent*innen sich auf Stellen bewerben, die ein gewisses Prestige oder wie es in der Studie heißt – eine gesellschaftliche Anerkennung – haben, konnte von der Studienautorin nicht verifiziert werden.

Interessant ist jedoch auch die Reihung. Das Betriebsklima belegt den Rang 1, die Aufstiegsmöglichkeiten den zweiten Platz. Die Sicherheit liegt auf Platz 3. Das Gehalt kommt erst an vierter Stelle. Die „interessante Arbeit“ liegt jedoch nur auf Platz 5. Dazu muss gesagt werden, dass der Hypothesenkatalog das Parfum der Generation Z transpiriert. Dies ist angesichts der Zielgruppe nur natürlich. Eine naheliegende Ursache für inadäquate Bewerbungen, die von Kaiser in der Einleitung bedacht wurde, wurde nicht als Hypothese abgefragt: Die Möglichkeit überhaupt einen Job und somit einen Berufseinstieg zu finden…

Besser unpassender Job als arbeitslos…

Das Motiv „Arbeitslosigkeit verhindern“ kann ein Motiv für Absolvent*innen (aber auch für andere Bewerber*innen) sein, eine Tätigkeit anzunehmen, die unter ihren Erwartungen liegt: Kaiser: „Weiters kann Überqualifizierung und damit einhergehende inadäquate Beschäftigung existieren, um Arbeitslosigkeit zu verhindern. In diesem Fall wäre auch aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive eine Beschäftigung, für die der/die ArbeitnehmerIn überqualifiziert ist, der Arbeitslosigkeit vorzuziehen.“ (Kaiser; Seite 4: 2021). Wie sieht es denn bei Bewerber*innen aus, die unterqualifiziert sind oder nicht über eine akademische Ausbildung verfügen? Dieser Bereich wird von Kaiser nicht abgedeckt.

Verzweiflung und Zwang sind schlechte Ratgeber

Je mehr Absagen Bewerber*innen erhalten, desto breiter streuen Jobsuchende die Bewerbungen. Das ist in vielen Fällen fast wie eine Faustregel. Die Verpflichtung durch das AMS eine Zahl X an Bewerbungen pro Woche zu verschicken, ist da oft wenig hilfreich. Dies aus mehreren Gründen: Die Anzahl der Bewerbungen steigt, jene der Absagen auch – dadurch geraten Bewerber*innen in eine Negativspirale. Oft spürt man die Verzweiflung des/der Kandidat*in einen Job zu finden bereits in der Art wie die Bewerbung gestaltet wurde. Anette Brinek hat diesbezüglich einen lesenswerten Artikel auf ihrer Seite verfasst.

Und da wäre noch der Tipp mit der Initiativbewerbung

Viele Unternehmen ermuntern Bewerber*innen sich initiativ zu bewerben. Dies hat den Vorteil, dass Personalist*innen den Pool an Bewerber*innen vergrößern und bei Bedarf bei passenden Kandidat*innen nachfassen können. Allerdings bedeutet Initiativbewerbung bewerberseitig vor allem Recherche. Das Profil sollte schon zum Unternehmen passen, damit die Bewerbung eine Chance hat. Aber nicht nur Unternehmen, sondern viele Jobcoachs und Karriereberater*innen setzen auf das Thema „Initiativbewerbung“. Für Unternehmen gilt: Jede Bewerbung ist mit der notwendigen Wertschätzung zu behandeln, insbesondere dann, wenn man auf der Webseite die Möglichkeit einer „Initiativbewerbung“ anbietet.

Vielleicht liegt es aber auch an der Erwartungshaltung des Unternehmens…

Tipps, wie sie als Recruiter*in die idealen Kandidat*innen finden, gibt es massenweise. Und natürlich ärgert man sich, wenn laufend Bewerbungen hereinkommen, die nicht passen. Allerdings hat die Medaille auch in diesem Fall zwei Seiten. Sind die Bewerbungen unpassend, weil mein Erwartungen an potenzielle Kandidat*innen zu hoch sind oder liegt es daran, dass meine Ausschreibung einfach zu allgemein aufgesetzt ist?

Suchen wir jemanden der eine Funktion sofort und ohne Anlaufschwierigkeiten übernehmen kann oder suchen wir Kandidat*innen, die wir entwickeln können? In ersten Fall wäre ein konkrete Ansprache bei Arbeitnehmer*innen des Mitbewerbs sinnvoll, im zweiten Fall kommen wir vielleicht über ein gutes Inserat und eine entsprechende Medienkampagne ans Ziel…

Genau wissen wir es nicht. Fest steht jedoch, dass wir allzu oft zu wenig über die Bewerbungsmotive unserer Kandidat*innen wissen. Die berühmt-berüchtigte Frage „Warum haben Sie sich bei uns beworben?“ bringt auch nicht wirklich Licht ins Dunkel… Aber genau diese Unsicherheit macht die Aufgabenstellung ja spannend.

Stimmen Sie ab und diskutieren Sie mit.

Haben Sie sich schon einmal auf inadäquate / unpassende Stellenangebote beworben?

Links und Quellen:

Masterarbeit von Lea Kaiser „Motive von AbsolventInnen für die Bewerbung auf inadäquate Stellenangebote“: https://phaidra.univie.ac.at/open/o:1394509

Sylvia Knecht. Erfolgsfaktor Quereinsteiger: Unentdecktes Potenzial im Personalmanagement; Springer-Verlag, 2013

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