Fachkräftemangel am Beispiel Friseur*in. Eine Diskussion.

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Friseur*innen und Hairstylist*innen suchen Personal. Das ist nichts Neues. Immer wieder finden sich Aushänge in den Salons und Inserate in den Jobportalen. Das war schon vor der Pandemie der Fall. Nach der Pandemie hat sich die Suche noch verstärkt. Interessanterweise wurde 2022 in einigen Bundesländern der Beruf des/der Friseur*in und des/der Maskenbildner*in auf die Fachkräftemangelliste gesetzt. Dies soll die Integration von Arbeitskräften aus so genannten Drittstaaten erleichtern. Vor allem die westlichen Bundesländer scheinen einen noch größeren Bedarf an Arbeitskräften im Friseur*innenbereich zu haben als die östlichen Bundesländer – dies suggeriert zumindest die Fachkräftemangelliste 2023.

Fachkräftemangel – einige Zahlen und Daten aus den letzten Jahren

Laut Branchendaten der Wirtschaftskammer Österreich gab es 2021 auf dem gesamten Bundesgebiet ca. 8.886 Unternehmen, die eingetragen waren. Die Friseur*innen sind nicht immer Einzelkämpfer*innen. Sie beschäftigen Personal und sind damit ein wichtiger Teil des Handwerks und der Nahversorgung.

Auf knapp 9000 Unternehmen kamen 15.038 Beschäftigungsverhältnisse – ohne die geringfügig Beschäftigten mitzuzählen. Wenn wir die Arbeitnehmer*innen inklusive der geringfügig Beschäftigten rechnen, sind es laut Statistik sogar 17.334. Mit anderen Worten: Jedes Unternehmen vergab im Durchschnitt zirka zwei Jobs. Allerdings muss man diese Zahl wieder relativieren. Die Anzahl der Ein-Personen-Unternehmen (EPU) kommt in der Friseurbranche auf einen Anteil von % 52,4.

Für 2022 zählte die WKO 9.625 aktive Fachgruppenmitgliedschaften. Die Unternehmen beschäftigten 14.145 Arbeitnehmer*innen. Werden die Beschäftigungsverhältnisse inklusive der geringfügigen Beschäftigten gewertet, kommen wir auf 16.369 Personen. Dies ist doch ein beträchtlicher Rückgang im Vergleich zu 2021. Für 2023 liegen noch keine aktuellen Zahlen vor.

Angebot und Nachfrage

Die AMIS-Datenbank (Arbeitsmarktinformationssystem) liefert spannende Ergebnisse und zeigt, dass sich der Arbeitsmarkt in diesem Bereich erst 2022 erholen konnte. Die Zahl der arbeitssuchenden Friseur*innen sank von 2021 auf 2022 deutlich. Auch die Zahl der offenen Stellen stieg.

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Natürlich sind diese Zahlen nicht unbedingt hundertprozentig aussagekräftig. Allerdings können wir einige spannende Dinge herauslesen. Man sieht, dass das Jahr 2021 mit den Covid-19-Beschränkungen die Branche ordentlich traf. Im Jahresdurchschnitt wurden weniger als 1000 Stellen angeboten und es gab im gleichen Zeitraum einen Durchschnitt von ca. 4800 Menschen, die als Friseur*innen arbeitssuchend beim AMS gemeldet wurden.

Die sehr ähnlichen Zahlen von 2022 und 2023 – sowohl was offene als auch arbeitssuchende Friseur*innen österreichweit betrifft – lassen auf eine stabile Nachfrage bei den Stellenangeboten schließen. Es kämen auf eine Stelle 2,9 arbeitssuchende Kräfte (für 2022) und 2,74 für das Jahr 2023. Das müsste man natürlich genauer auswerten, aber es ist ein interessanter Wert zumal der Beruf des Friseurs oder der Friseurin in einigen Bundesländern bereits 2023 auf der Mangelberufsliste stand.

Mangelberuf Friseur*in

Ein Beruf gilt laut oesterreich.gv.at dann als Mangelberuf, wenn bundesweit oder in bestimmten Bundesländern pro gemeldeter offener Stelle höchstens 1,5 (bei speziellen Mangelindikatoren höchstens 1,8) Arbeitssuchende (Stellenandrangsziffer) beim AMS vorgemerkt sind. 2023 stand Friseur*in in den westlichen Bundesländern Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg auf der regionalen Mangelberufsliste. Für 2024 rutscht der Beruf sogar auf die österreichweite Liste. Ferner ist der Lehrberuf des Friseurs oder der Friseurin nach wie vor ein Mädchen- und Frauenberuf. (Quelle: ibw / WKO)

Wieso ist es schwierig Friseur*innen zu finden?

Die Gründe sind vielfältig. Ein Zeitungsartikel in der „Süddeutschen Zeitung“ aus dem Herbst 2021 gibt einige Einblicke, wieso es schwer ist, ausgebildete Kräfte oder zumindest willige Anlernkräfte zu finden. Dies liege einerseits an den Betrieben selbst, andererseits sei der Beruf schwer und der Markt sehr umkämpft. Viele Betriebe setzen bei der Personalsuche auf „Post and Pray“. Sie schalten oft Inserate – möglichst über das AMS oder über günstige Plattformen – und hoffen darauf, dass sich jemand meldet. Das funktioniert heute nicht mehr. Der Beruf ist nach wie vor ein „Wunschberuf“ vor allem bei jungen Mädchen und Frauen. Laut Lehrlingsstatistik 2021 liegt die Friseurin auf Platz 3 der häufigsten Lehrberufe, dies war (siehe Grafik) auch Ende 2022 der Fall und ich glaube mich nicht allzu weit aus dem Fenster zu lehnen, wenn ich behaupte, dass auch 2024 der Beruf bei den Mädchen in den Top-Ten der Wunschberufe zu finden ist. Um es jedoch noch einmal zu verdeutlichen: auf 8.886 Betriebe entfallen im Jahr 2021 3364 weibliche Lehrlinge und immerhin 554 männliche Lehrlinge. 2021 kommen entfallen auf 8886 Betriebe 3918 Lehrlinge. Bedenkt man, dass viele Einzelunternehmer*innen gar keine Lehrlinge ausbilden, ist dies ein sehr guter Wert. Die Thematik kann also nicht (nur) in fehlendem Nachwuchs liegen.

Wieso verlassen viele den Beruf wieder?

Aber auch vor 2020 (also vor Covid) gab es schon ein gewisse Fluktuation im Beruf. Die Gründe sind unterschiedlich. Friseur*in / Stylist*in ist zwar ein Handwerk, allerdings mit einer sehr hohen Dienstleistungskomponente. Die Bezahlung ist nicht gerade berauschend. Es handelt sich um eine so genannte Trinkgeldbranche. Das bedeutet, dass das Trinkgeld zu einem wichtigen Baustein des Gehaltes wird (ähnlich bei Kellner*innen und Servicepersonal in der Gastronomie). Auch Gottfried Kraft, seines Zeichen Chef der Kette KLIPP, bestätigt in einem Interview mit der „Kleinen Zeitung“ (09. Oktober 2023) die niedrigen Gehälter. Das Unternehmen KLIPP versuche zwar mit einer Attraktivierung der Gehälter dem Schwund und dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken. Dennoch: „Für den Friseurberuf sprechen die Argumente, es mit Menschen zu tun zu haben, kreativ und kommunikativ sein zu können. Dagegen spricht – auch das ist durch Umfragen belegt – die geringe Bezahlung. Zwar wird in der Branche viel mit Erfolgsprämien gearbeitet, aber der Kollektivvertrag ist nicht gerade üppig.“ (Quelle) KLIPP ist einer der ganz großen Unternehmen in Österreich mit ca. 1300 Mitarbeiter*innen und über 160 Filialen matcht sich das oberösterreichische Unternehmen etwa mit dm.

Höhere Gehälter zu zahlen ist nicht ganz so einfach. Es kommt zu einem gewissen Preiskampf, da die Löhne auf die Preise umgelegt werden müssen. Kraft fordert daher eine Senkung der Lohnnebenkosten – er spricht von Entlastung de Lohnarbeit. „Es muss also dringend eine Entlastung der Lohnarbeit stattfinden. Sonst wird sie extrem teuer – oder sie verschwindet und wir schaffen uns selbst ab.“ Ein drastischer Befund. Die Konkurrenz ist groß. Vor allem in Städten gibt es sehr viele Billig-Salons, die das Preisgefüge drücken. Sie sind eine Belastung für die „gehobenen“ Salons, die Lehrlinge ausbilden, sich weiterbilden und auch immer auf dem neuesten Stand der Technik sind. Vor allem die zahlreichen „Barber-Shops“ bei denen meistens Männer einen sehr günstigen Maschinenschnitt bekommen können, sind eine ernstzunehmende Konkurrenz. Neben dem Geld, gibt es aber auch weitere Aspekte.

Wie in jedem Dienstleistungsbereich kann der dauernde Kund*innenkontakt zur Belastung werden. Die Dienstzeiten sind auch nicht unbedingt immer familienfreundlich. Für viele Kund*innen ist es nur mehr schwer möglich „zwischendurch“ zum Friseur oder zur Friseurin zu gehen. Die Betriebe bieten daher vielfach verlängerte Abendöffnungszeiten an.

Auch gibt es eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung durch allergische Reaktionen… Über dieses Thema wird so gut wie gar nicht diskutiert. Und das wäre natürlich ein wichtiges Thema. Vor allem in der Prävention. Man sieht es bei den Lehrlingen: 55 % der Hauterkrankungen treten im ersten Lehrjahr auf (Quelle AUVA).

Was sagen weitere Profis

Regina Renner vom Salon „Das Haarnest“ in Hollenstein an der Ybbs sieht die Gründe für die fehlenden Fachkräfte einerseits darin, dass zu wenig Werbung in der Schule für den Beruf gemacht werden würde. Dies beinhalte vor allem, dass auch die Perspektiven und Entwicklungschancen zu wenig bekannt seien. Natürlich spielten der Lohn und unflexible Arbeitszeiten auch eine Rolle.

Ercan Yoglu von „Hairstyle Baro“ in Wien-Simmering teilt die Meinung, dass es gar nicht so leicht sei Friseur*innen zu finden. Von 10 Bewerber*innen würden gerade einmal 5 zum Termin erscheinen. Das Thema Gehalt spricht er auch an. Es sei halt sehr niedrig.

Susanne Lins (s´Hairz – Zentrum für Haar & Herz) ist selbständige Friseurin in Bregenz. Sie sieht bereits ein Thema in der Berufsschule. Der Lehrberuf sei zwar ausgeweitet worden auf Hard Skills wie digitale Buchführung und Buchungskonzepte. Allerdings würde es an Persönlichkeitsbildung, Beratung und interessanten Arbeitskonzepten deutlich mehr Bedarf geben. Das Thema Gehalt ist natürlich auch ein Thema. Es werde zu wenig bezahlt. Allerdings scheint Frau Lins eine wirklicheund individuelle Kund*innenbindung wichtig, da zu sehr auf die Trends der großen Frisuren- und Kosmetikkonzerne wert gelegt werden würde.

Alle Expert*innen sind sich einig, dass das Thema Gehalt ein wichtiges Thema ist. Die Branche wäre finanziell nur mäßig attraktiv vor allem im Angestelltenbereich. Dennoch besteht ja die Möglichkeit die Selbständigkeit oder das Unternehmener*innentum anzustreben. Die Chancen scheinen gut, einen bestehenden Salon zu übernehmen.

Viele Betriebe stehen zur Nachfolge bereit

Insgesamt 37 Salons in Wien posten auf der Nachfolgebörse der Wirtschaftskammer ein Inserat und suchen eine Nachfolge. Das ist ein relativ hoher Wert mit Prozent. Derzeit suchen laut Nachfolgebörse insgesamt 282 Unternehmen in allen Branchen in Wien eine Nachfolge (Stand 06. 01. 2024). Das sind doch immerhin 13,12 Prozent aller gelisteten Unternehmen, die auf eine Branche entfallen. Eine Anfrage bei der Friseur*innen-Innung, wie dieser – in meinen Augen – hohe Wert erklärbar ist, blieb bis dato unbeantwortet.

Das Beispiel Friseur*in soll zeigen, dass es in der Diskussion um fehlende Fachkräfte keine einfache Lösung gibt. Die Themen sind vielfältig, eine einheitliche Regelung schwierig. Fest steht, dass der Dienstleistungsbereich und das Handwerk wichtige Bestandteile der österreichischen Wirtschaft ist. Friseur*innen verbinden beide Bereiche. Ein Ende der Diskussion ist nicht in Sicht.

Weitere Links und Quellen:

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2 Comments

  1. Herr Elsen,
    ein sehr guter Bericht liegt uns Friseur:Innen zu Füssen. Danke für die aussagekräftigen Botschaften und Statistiken. Schön wenn man einen detaillierten Einblick bekommt.
    Danke auch dass ich einen Impuls abgeben durfte als Naturfriseurin.
    Um eine Nachfolge als Selbständige zu beginnen, bedarf es meiner Meinung nach ebenso in der Berufsschule schon mehr Persönlichkeitsbildung und die Auseinandersetzung mit beruflichen Konzepten(Salonalltag, Salonführung,…) entstehen können.

    hairzliche Grüße,
    Susanne Lins

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