Gehalt: Mitarbeiter*innen mit Migrationshintergrund werden strukturell benachteiligt

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Seit dem Jahr 2007 erstellt die Stadt Wien ein Integrations- und Diversitätsmonitoring. Das Monitoring ist in unterschiedliche Themengebiete gegliedert. Die JOBBERIE interessiert sich – wie nicht anders zu erwarten – für den Bereich „Gehalt“ oder „Einkommen“. Das Monitoring aus dem Jahr 2023 gibt spannende Einblicke in die Einkommensstruktur der Wiener Bevölkerung. Ein augenscheinliches Ergebnis ist, dass die Betrachtung der Gehälter nicht nur nach dem Filter „Gender Pay Gap“ wichtig ist. Denn auch bei den Frauen finden wir sehr große Unterschiede, was das Gehalt betrifft. Und es ist nicht der Teilzeitfaktor, der eine Rolle spielt, sondern die Herkunft und die Ausbildung.

Frauen mit gleicher Qualifikation bekommen weniger Gehalt als Männer

Der Gender Pay Gap liegt 2024 in Österreich bei 18,8 Prozent. Das ist bekannt. Vergleichen wir Gleiches mit Gleichem wird es noch spannender. Aus einer Studie der JKU Linz wissen wir, dass Akademikerinnen bei gleicher Qualifikation und gleichem Beruf zwischen fünf und sechs Prozent weniger Gehalt haben als ihre männlichen Kollegen – und diese Zahl bleibt über den gesamten Untersuchungszeitraum von mehr als 10 Jahren mehr oder weniger konstant. (Quelle).

Dieselbe Forschung kommt zum Ergebnis, dass die Gehälter in weiblich dominierten Branchen nachweislich im Durchschnitt sinken würden. Die Studienautorinnen sprechen von einer frauendominierten Branche bei einem Anteil von 70 Prozent Frauen. Aber bleiben wir bei den Akademikerinnen und werfen einen Blick nach Wien.

Frauen OHNE Migrationsbiographie besser bezahlt als Kolleginnen MIT Migrationshintergrund

Bei unselbständigen Mitarbeiterinnen, die einen Hochschulabschluss erworben haben, bekommen Frauen ohne Migrationshintergrund eine um rund € 500,- höhere mittlere Nettoentlohnung als Kolleginnen aus sogenannten Drittstaaten. Bei Frauen mit Matura als höchstem Bildungsabschluss, liegt der Unterschied bei rund € 800,-. Bei männlichen Beschäftigten liegt die Differenz zwischen Personen ohne Migrationshintergrund und Personen mit ausländischem Bildungsverlauf und Migrationshintergrund aus einem Drittstaat bei rund € 700,- bzw. bei mehr als € 1.000,- je nach Bildungsabschluss.

Interessanter Gegentrend bei einer Gruppe

In einem einzigen Punkt ist dieser Trend etwas anders (siehe Grafik). Bei Männern mit ausländischem Hochschulabschluss und EU oder EFTA-Migrationshintergrund ist die Median-Nettoentlohung höher als bei Männern mit Migrationshintergrund und einem österreichischen Bildungsweg. Dies könnte – und das ist jetzt eine reine Arbeitshypothese – damit zusammenhängen, dass europäische männliche Arbeitnehmer mit entsprechender Hochschulausbildung „mobiler“ sind und eher nach Österreich arbeiten kommen. Oder: Unternehmen werben gezielt in EU und EFTA männliche Mitarbeiter mit Hochschulabschluss an und bieten für diese Gruppe höhere Gehälter als Anreiz nach Österreich arbeiten zu kommen. Aber wie gesagt: Es handelt sich um eine Arbeitshypothese, die nicht vom Monitoring erklärt wird und belegt wird.

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Quelle: Integrations- und Diversitätsmonitor der Stadt Wien – Deutsche Kurzfassung, 2023: 314 KB PDF

Abgesehen von dieser Ausnahme zeigt die Grafik, dass die ungleiche Verteilung der Median-Nettoentlohnung ein starkes Indiz dafür ist, dass Mitarbeiter*innen mit Migrationshintergrund und/oder mit im Ausland erworbenen Bildungsabschlüssen häufiger in beruflichen Positionen tätig sind, in denen sie ihr Ausbildungsniveau nicht (monetär) umsetzen können.

Aus der eigenen Recruitingpraxis möchte ich ergänzen, dass die Forderung nach mehr oder weniger perfekten Deutschkenntnissen (vor allem mündlich) ein Faktor ist, der möglicherweise zu dieser Dequalifizierung beiträgt. Wichtig wäre es die öffentliche Debatte also nicht nur auf den „Gender-Pay-Gap“ zu reduzieren, sondern weitere Diversitätsfaktoren miteinzubeziehen – und auch hinsichtlich des vermeintlichen Fachkräftemangels neue Wege zu gehen diese Dequalifizierung zu umgehen.


Literatur und Quellen

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