„21. März – Welttag gegen Rassismus“: Von Dequalifizierung und Diskriminierung in Österreich

Rassismus 21. März Arbeitsmarkt Dequalifikation

Der 21. März ist der internationale Tag gegen Rassismus. Heuer begehen wir einen halbrunden Gedenktag des ausschlaggebenden Ereignisses. Vor 65 Jahren – am 21. März 1960 – wurde in Sharpeville (Südafrika) gegen ein Gesetz der Apartheid demonstriert. Die Demonstration wurde blutig niedergeschlagen, viele Menschen wurden schwer verletzt und getötet. Insgesamt 69 Menschen starben. Die Vereinten Nationen riefen als Reaktion auf dieses Ereignis im Jahr 1966 den 21. März als Internationalen Tag zur Beseitigung der Rassendiskriminierung aus.

Rassismus in der österreichischen Arbeitswelt: Ein paar Zahlen, Daten und Fakten.

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft beriet im Jahr 2020 in 363 Fällen von rassistischer Diskriminierung. Der Großteil der Fälle betraf die Arbeitswelt, gefolgt von Beratungen im Bereich der Finanz- und Versicherungsleistungen und Wohnraum. Im Berichtszeitraum 2020 und 2021 waren es insgesamt 1.024 Anfragen hinsichtlich rassistischer Diskriminierung. 2022/2023 meldeten sich bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft insgesamt 5.231 Personen zum Thema Diskriminierung. Bei 24 % der Anfragen ging es um explizit um Rassismus. Das macht immerhin 1.255 Meldungen aus.

Angesichts der steigenden Fallzahlen hat die Gleichbehandlungsanwaltschaft nun eine neue digitale Erstberatung eingeführt, um den Zugang zu rechtlicher Unterstützung zu erleichtern.

Rassismus und Arbeitslosigkeit gehen teilweise Hand in Hand

In Österreich haben Drittstaatsangehörige mit Arbeitsmarktzugang – das sind Bürger*innen, die weder die österreichische noch eine EU-Staatsbürgerschaft haben, laut Sozialministerium formal die gleichen Rechte wie österreichische Arbeitskräfte. Sie erhalten dieselben Arbeits- und Lohnbedingungen, unterliegen denselben Sozialversicherungsvorschriften und können AMS-Dienstleistungen sowie Arbeitslosenleistungen in Anspruch nehmen – sofern die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind.

Trotz dieser rechtlichen Gleichstellung sind Menschen aus Drittstaaten, aber auch aus EU-Staaten, in der Praxis mit größeren Herausforderungen konfrontiert. Sie leiden häufiger unter Arbeitslosigkeit und müssen öfter prekäre, schlechter bezahlte Arbeitsverhältnisse akzeptieren. (vgl: Maria Alexandra Bassermann, 2018)

Das SORA Institut verfasste im Jahr 2021 eine Studie zum Thema „Die Situation der Arbeitslosen in Österreich 2021.“ Es war das zweite COVID-Jahr. Themen wie Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit waren noch stark verbreitet. Die Studie wurde im Auftrag des MOMENTUM-Instituts erstellt und arbeitete das Thema Diskriminierung und Arbeitslosigkeit auf.

35% der Befragten nannten in der Studie die Herkunft oder die Hautfarbe als Diskriminierungsgrund. (SORA 21086 Zur Situation von Arbeitslosen in Österreich 2021; Seite 29) Die Studie präzisiert wie folgt:

„Rassismus trifft insbesondere Arbeitslose mit osteuropäischem Migrationshintergrund oder aus Drittstaaten. Jeweils rund 90% der Betroffenen dieser beider Herkunftsgruppen führen ihre Diskriminierung z.B. auf ihre Hautfarbe oder Sprache zurück. Unter Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien oder der Türkei sind es mit 65% zwar ebenfalls zwei Drittel, allerdings fällt in diesen Gruppen auch auf, dass die soziale Herkunft sowie die eigene Arbeitslosigkeit häufiger als Diskriminierungsgrund vermutet werden – das Zusammenwirken verschiedener Formen von sozialer Ungleichheit wird hier offensichtlich.“ (Quelle)

Diese Zahlen werden in weiten Teilen auch von der Statistik Austria gestützt. Kristina Filipovic fasst den Sachverhalt in ihrer Masterarbeit zum Thema „Der Übergang von BildungsmigrantInnen in den
österreichischen Arbeitsmarkt“
auf Seite 59 wie folgt zusammen:

In der 2021 von Statistik Austria durchgeführten Studie gaben etwa 6 % der Menschen mit Migrationshintergrund an, am aktuellen Arbeitsplatz diskriminiert worden zu sein. Insbesondere Menschen aus Nicht-EU- und außereuropäischen Ländern waren mit 12,5 % am stärksten von Diskriminierung betroffen, wobei 90 % von ihnen ihre Herkunft als Grund angaben. Im Durchschnitt nannten fast 79 % aller Befragten ihre ausländische Herkunft als Grund für die Diskriminierung.

Personen, die fließend Deutsch sprachen, fühlten sich ebenfalls am Arbeitsplatz diskriminiert (etwa 11 % der Befragten), wobei auch hier die Herkunft als Hauptgrund angegeben wurde (in etwa 80 % der Fälle). Sogar Personen, die im Alter von unter 15 Jahren nach Österreich gezogen waren, berichteten mit einer Häufigkeit von 11,4 % über Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt (vgl. Statistik Austria 2022b, S. 45 f.).

Internationaler Tag gegen Rassismus Banner

Österreich im EU-Spitzenfeld bei Rassismus von „Black People“…

Die FRA, die European Union Agency for Fundamental Rights, mit Sitz in Wien legte 2024 eine 2023 erstellte sehr umfassende Studie zum Thema „Being Black in the EU – Experiences of people of African descent“ vor. Der Bericht analysiert die Antworten von 6752 Zuwanderer*innen und Nachkommen von Zuwanderer*innen afrikanischer Abstammung, die in 13 Mitgliedstaaten ansässig sind: Österreich, Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, Irland, Italien, Luxemburg, Polen, Portugal, Spanien und Schweden. (Quelle)

Unterkapitel 1: Arbeitssuche

In punkto Beschäftigung fühlte sich etwa jede dritte befragte Person (34 %) bei der ARBEITSSUCHE rassistisch diskriminiert. Der abgefragte Zeitraum betrug die letzten 5 Jahre vor der Erhebung in den EU-Mitgliedstaaten, wobei Österreich mit 59 % den Spitzenplatz einnahm. Es folgten: Deutschland (56 %) und Finnland (53 %). Bei einer Betrachtung von nur 12 Monaten vor der Befragung lag der Durchschnitt bei 28 %, wobei die höchsten Werte in Italien (49 %), Deutschland (48 %), Österreich (48 %) und Finnland (46 %) erzielt wurden.

Im Durchschnitt gibt es in diesen Ländern keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Erfahrungen von Frauen (28 %) und Männern (27 %). Das Thema intersektionaler Rassismus ist zumindest was das Geschlecht betrifft wenig ausgeprägt.

Unterkapitel 2: Am Arbeitsplatz

Insgesamt fühlte sich fast jede*r dritte Befragte*r (31 %) in den 5 Jahren vor der Erhebung der Studie direkt am Arbeitsplatz rassistisch diskriminiert, und 23 % taten dies im unmittelbaren Jahr vor der Befragung. Die höchsten Anteile der Befragten mit Erfahrungen, die in den letzten 12 Monaten vor der Befragung rassistisch diskriminiert wurden, verzeichneten Deutschland (46 %), Finnland (40 %) und Österreich (39 %).

Auch bei diesen Ländern gab es kaum Unterschiede zwischen Männern und Frauen. In anderen Ländern ist das Verhältnis deutlich anders.

Unterpunkt 3: Bildung

Laut FRA erleben Befragte mit einem höheren Bildungsabschluss durchschnittlich mehr rassistische Diskriminierung am Arbeitsplatz als Befragte mit einem niedrigeren Bildungsniveau, was überraschen mag. Die Zahlen sind eindeutig: 6 % der Befragten ohne Schulabschluss oder mit höchstens Sekundarstufe I (ISCED 0-2) und 31 % der Befragten mit tertiärem Bildungsabschluss (ISCED 5-8).

Europaweiter Anstieg über 5 Jahre

In allen Lebensbereichen sind die höchsten Raten von Rassendiskriminierung im Bereich der Beschäftigung zu verzeichnen, d. h. bei der Arbeitssuche (von 25 % im Jahr 2015 auf 34 % im Jahr 2022) oder am Arbeitsplatz (von 25 % im Jahr 2016 auf 31 % im Jahr 2022). Die Zahlen basieren auf dem Durchschnitt aller involvierten Länder.

Die Dequalifizierung von Migrant*innen und die Überbetonung von Deutschkenntnissen in Österreich

Die Zahlen der FRA zeigen, dass Österreich durchaus im Spitzenfeld liegt, wenn es um die Diskriminierung gegen „Black People“ bei der Arbeitssuche geht. Die Dequalifizierung von Migrant*innen in Österreich könnte zusammenhängen. Es handelt sich hierbei um ein komplexes Phänomen, das eng mit der Priorisierung von Deutschkenntnissen verknüpft ist:

Die starke Betonung von Deutschkenntnissen in Österreich stellt Sprachfähigkeiten als primäre Voraussetzung für die Integration in den Arbeitsmarkt dar. Diese Priorisierung führt zu mehreren Problemen:

Zum einen werden berufliche Kompetenzen und Qualifikationen erst nach Sprachkenntnissen bewertet. Hochqualifizierte Migrant*innen werden in der Übergangsphase des Spracherwerbs oft in Hilfstätigkeiten gedrängt, was zu einer Dequalifizierung führt, die sich später kaum mehr umkehren lässt. Dabei wäre dies gerade auf Konzernebene und in vielen spezialisierten Bereichen nicht notwendig. Englisch ist in vielen Kontexten die Vehikularsprache – warum sollte sie es nicht auch im beruflichen Kontext sein.

Dazu kommt auch noch die Thematik der Anerkennung von ausländischen Abschlüssen. Obwohl formal möglich, ist die Anerkennung in der Praxis schwierig und zeitaufwändig. Meist müssen zusätzliche Ausbildungen absolviert werden – sehr oft sind Deutschkurse unumgänglich. Während des Prozesses der Anerkennung von Zertifikaten und Ausbildungen müssen Migrant*innen häufig in unterqualifizierten Positionen arbeiten, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Dies führt zu einer schleichenden – in Branchen mit geringer Halbwertszeit von Wissen – zu einer schnelleren Entwertung ihrer Qualifikationen.

Brain Waste – eine Verschwendung von Ressourcen

Anders formuliert: Die erzwungene längere Verweildauer in unterqualifizierten Positionen führt zu einem Verlust von Fachwissen und einer Abwertung der ursprünglichen Berufsausbildung – ein Prozess, der als „Brain Waste“ bezeichnet wird und sowohl die Betroffenen als auch die Wirtschaft schädigt, die dringend Fachkräfte benötigt.

Besonders problematisch ist das Zusammenspiel mit stereotypen Zuschreibungen: Migrant*innen werden oft pauschal als „unqualifiziert“ betrachtet, selbst wenn sie hochqualifiziert sind. Diese Vorannahmen führen zu einer systematischen Unterbewertung ihrer Fähigkeiten.

Der Nachweis von „perfekten“ Deutschkenntnissen wird oft als absolute Voraussetzung gesetzt, auch wenn das benötigte Sprachniveau für die jeweilige Tätigkeit nicht erforderlich wäre. Dies erschwert qualifikationsgerechte Beschäftigung zusätzlich.

Wie es auch gehen kann…

Ein Beispiel: Das Berufsbild des/der biomedizinischen Analytiker*in ist gesetzlich geregelt. Die Ausbildung dauert sechs Semester, erfolgt an Fachhochschulen (Studiengang Biomedizinische Analytik) und schließt mit einem Bachelor of Science in Health Studies (BSc) ab. Um ständig auf dem aktuellen Stand zu sein, müssen sich Biomedizinische Analytiker*innen regelmäßig fortbilden.

Seit Juli 2018 gilt die verpflichtende Registrierung für Biomedizinische Analytiker*innen im Gesundheitsberuferegister. Die Registrierpflicht im Gesundheitsberuferegister wurde während der COVID-19-Pandemie ausgesetzt. Labortätigkeiten für medizinisch-technisches Gesundheitspersonal konnten ohne ärztliche Anordnung durchgeführt werden (Covid-Tests) und es konnten auch Personen für die mit der Pandemie anfallenden Laboruntersuchungen herangezogen werden, die ein naturwissenschaftliches oder ein veterinärmedizinisches Studium erfolgreich abgeschlossen hatten. Unnötig zu erwähnen, dass viele Personen in Laboren arbeiteten, die ihr Studium im Ausland absolviert hatten.

Dieses Beispiel zeigt, dass mit einer Entbürokratisierung im Nostrifzierungs- und Anerkennungsbereich der Dequalifizierung durchaus entgegengewirkt werden könnte. Gerade in wirklichen Mangelberufen wie der Medizin wäre hier einiges möglich.

Was tun, damit es besser wird…

Diese Frage habe ich Claude.ai, der generativen KI, gestellt. Dieser Schritt scheint mir vielversprechend um sich dem parteipolitischen Diskurs um Abschiebung und fehlender Deutschkenntnisse ein wenig zu entziehen.

Claude.ai schlägt folgende Punkte vor…

Um Rassismus auf dem österreichischen Arbeitsmarkt zu bekämpfen, gibt es mehrere mögliche Ansätze:

  1. Anonymisierte Bewerbungsverfahren einführen, bei denen persönliche Informationen wie Name, Foto, Alter und Herkunft zunächst verborgen bleiben
  2. Konsequente Umsetzung und Stärkung der Antidiskriminierungsgesetze, verbunden mit effektiven Kontroll- und Sanktionsmechanismen
  3. Diversitätsmanagement in Unternehmen fördern, etwa durch Schulungen für Führungskräfte und Personalverantwortliche
  4. Mentoring- und Förderprogramme speziell für Menschen mit Migrationshintergrund entwickeln
  5. Anerkennung ausländischer Qualifikationen und Bildungsabschlüsse vereinfachen
  6. Sensibilisierungskampagnen und interkulturelle Schulungen in Unternehmen durchführen
  7. Mehr Transparenz bei Einstellungs- und Beförderungsentscheidungen schaffen
  8. Quotenregelungen oder Zielvorgaben für die Beschäftigung von Menschen mit Migrationshintergrund erwägen
  9. Positive Beispiele erfolgreicher Integration und Diversität in Unternehmen öffentlich sichtbar machen
  10. Diskriminierungstests und regelmäßiges Monitoring der Arbeitsmarktstatistiken nach ethnischen Kriterien durchführen

Besonders wichtig wäre eine Kombination aus strukturellen Maßnahmen, Bewusstseinsbildung und verbindlichen rechtlichen Rahmenbedingungen. Soweit die Vorschläge von Claude.ai

Wie finden Sie diese Ideen? Könnte der von der KI erstellte 10-Punkte-Plan eine Verbesserung bringen? Die JOBBERIE freut sich auf Eure / Ihre Kommentare…


Literatur und Quellen

Auch interessant…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert