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Mittlerweile werben auch große Unternehmen und Konzerne mit der familiären Arbeitsatmosphäre. Was auf den ersten Blick wie ein Widerspruch in sich wirkt, hat Methode. In Zeiten des Employer Brandings soll eine Unternehmenskultur vermittelt werden, die den Idealvorstellungen von Familie nahekommt. Man könnte auch sagen: Unternehmen positionieren sich ganz gezielt als Familienersatz.
Als Beispiel ein Zitat von der Karriereseite des Sankt Anna Kinderspitals in Wien, das man im besten Sinne des Wortes als einzigartige Institution bezeichnen kann. Auf der Karriereseite steht: „Die familiäre Atmosphäre und das unkomplizierte, respektvolle Miteinander machen die Arbeit im St. Anna Kinderspital so besonders.“
Marketing und Employer Branding
Einige Ratgeber weisen auf die Wichtigkeit des Stichwortes „familiäres Arbeitsumfeld“ eigens hin. Stepstone rät dazu, die „Familiäre Atmosphäre heraus[zu]streichen.“ Weiter heißt es: „Bewerber fühlen sich von einer sympathischen Unternehmenskultur angezogen. In Klein- und Mittelbetrieben kennt man sich und hilft sich untereinander aus. Es gibt kein Silo-Denken – die Wege sind kurz, was Ergebnisse oft effizienter macht. Unternehmen, die diese positive Unternehmenskultur schon im Bewerbungsprozesse herausstreichen, sprechen automatisch Kandidaten an – und holen sich passende Bewerber ins Haus.“ (Stepstone).“
Bei Stepstone liest man weiter: „Die familiäre Atmosphäre und das Eingehen auf die individuellen Bedürfnisse sind es, die Mitarbeiter zufriedenstellen und ihre Loyalität stärken“ resp. „die familiäre Atmosphäre ist es, was die Menschen in KMU hält – vor allem Frauen ziehen das der oft anonymen Stimmung in Großkonzernen vor.“ Ob sich diese Aussage durch Statistiken untermauern lässt, kann nicht gesagt werden.
Auch ein konkretes Beispiel sei an dieser Stelle erwähnt. In einem Artikel zum Thema lesen wir: „Auch in der Firma Trepka haben wir in Workshops mit den Bereichsleitern und den Mitarbeitern gearbeitet, um herauszufinden, was das Unternehmen besonders macht und wo seine Wurzeln liegen. Heraus kamen Aspekte wie Sicherheit und Beständigkeit, die das Familienunternehmen vermittelte. Es war auch viel Stolz darauf zu spüren, individuelle Lösungen für die Baubranche zu entwickeln. „Wir machen im Bereich der Betonfertigteile Sonderanfertigungen, die andere nicht machen wollen oder können“, erklärt Geschäftsführer Wieder. So entstand der Leitsatz „Trepka baut auf Sie … auf Leute, die mutig Neues angreifen“, mit dem das Unternehmen im Employer Branding arbeitet. Ein weiterer Leitsatz bezieht sich auf das familiäre Verhältnis im Unternehmen, in dem der Geschäftsführer nahezu jeden Arbeiter mit Namen kennt: „Trepka baut auf Sie … auf Persönlichkeiten, die keine Nummer sein wollen“. (personal-manager.at)
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Familiäres Umfeld in Stellenangeboten
Aber nicht nur im Employer Branding spielt das „Familiäre“ eine wichtige Rolle. Unternehmen werben damit direkt in ihren Stellenangeboten. Das Online-Tutoring-Portal „Preply“ fand heraus, dass fünfzehn Prozent der untersuchten Stellenanzeigen auf ein familiäre Umfeld hinweisen. Das ist nicht gerade wenig. Hier einige Beispiele aus den letzten Tagen und Wochen:
- Teamleiter:in Bilanzierung (m/w/d) / Verantwortung in einer familiären Kanzlei!
- Wir, die Betreuungsgruppe St. Stefan suchen als Unterstützung für unser kleines
familiäres Team eine/n diplomierte/n Gesundheits- und Krankenpfleger/in im
Ausmaß von 10-15 Wochenstunden - Office-Allrounder gesucht! Teilzeitstelle in einem familiären Betrieb
- Produktionsmitarbeiter (m/w/d) in einem familiären Unternehmen
- Kfz-Mechaniker (m/w/d) für unseren familiären Betrieb!
Die anekdotische Evidenz zeigt auch, dass das „familiäre“ Team oder die „familiäre“ Atmosphäre sich auf sehr unterschiedliche Berufe bezieht und somit quer durch die Branchen als „Benefit“ gesehen wird.
An diesem Punkt ist es wichtig einen Schritt zurück zu machen. Was ist eigentlich mit dem charakterisierenden Beiwort“ familiär“ gemeint? Zunächst müssen zwei Begriffe unterschieden werden: „familienfreundlich“ und „familiär“ klingen zwar ähnlich, verweisen jedoch auf zwei getrennte Bereiche. „Familienfreundlich“ verweist auf die Vereinbarkeit zwischen Job und Familie der Mitarbeitenden. Alles Familienfreundliche nimmt Rücksicht auf Menschen, die im Umfeld des Mitarbeitenden zu finden sind, aber direkt nichts mit dem Unternehmen an sich zu tun haben.
Es geht in der Folge nicht um familienfreundliche Arbeitsplätze, sondern um familiäre Arbeitswelten, die sogar eine Art Familienersatz durch den Arbeitsplatz sein können. Familiär bedeutet also rein die Mitarbeitenden und den Umgang untereinander betreffend.
Ein Blick in das DWDS-Lexikon verrät folgende Bedeutungen:
Vor allem die zweite Interpretation im Sinne von „ungezwungen wie in der engeren Familie, vertraulich“ wird gerne in Stellenangeboten als besonderes Atout dargestellt und ist auch jene Definition, die anzuwenden ist.
Anders formuliert:
Man könnte das familiäre Arbeitsumfeld als eine Arbeitsatmosphäre und Arbeitsweise definieren, die von gegenseitigem Vertrauen, Unterstützung und Zusammenhalt geprägt ist. Offene Kommunikation, gemeinsame Werte und eine starke Identifikation der Mitarbeiter:innen mit dem Unternehmen sind ebenso Faktoren, wie Vorgesetzte, die das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter:innen auf der Agenda haben.
Inwieweit diese Definition zutrifft und was eine familiäre Atmosphäre oder ein familiäres Umfeld bringt, wird in den folgenden Kapiteln genauer beschrieben.
Plastikwort, das gefüllt werden muss
Das Handling des Begriffes ist nicht so einfach, da e sich bei der „familiären Arbeitsatmosphäre“ oder ähnlichen Bezeichnungen um ein Plastikwort handelt. Es ist zwar gar nicht so schwer den Begriff mit Leben zu füllen, allerdings versteht jede*r etwas anderes darunter. Der Begriff ist wahrscheinlich so vielfältig anwendbar und mit genauso vielen Bedeutungen gefüllt, wie es unterschiedliche Familienformen gibt. Zudem gibt es den Begriff der Unternehmenskultur, der doch abzugrenzen ist.
Unterschied zwischen Arbeitsatmosphäre und Unternehmenskultur
„Arbeitsatmosphäre und Unternehmenskultur sind bedeutsame und eng verwandte Phänomene, die den Berufsalltag wesentlich prägen. Aufgrund ihrer nicht unerheblichen Gemeinsamkeiten fällt es jedoch oft schwer, sie voneinander abzugrenzen und als distinktive Konzepte zu erkennen. (Julmi, C., Eifert, A., Dammert, J.E., Wittwer, S. (2024) Dieses Fazit lesen wir in einer Studie aus dem Jahr 2024, die sich exklusiv mit dem Thema „Arbeitsatmosphäre“ beschäftigt. Eine genaue definitorische Unterscheidung zwischen „Unternehmenskultur“ auf der einen Seite und „familiäres Arbeitsumfeld“ auf der anderen Seite, konnten die Autor:innen der Studie nicht bestimmen.
Allerdings liefern sie den einen oder anderen Hinweis, wie man beide Begriffe abgrenzen kann: „Im Durchschnitt sind Arbeitnehmer:innen mit der Arbeitsatmosphäre (7,42) um 0,6 Punkte zufriedener als mit der Unternehmenskultur (6,82)“.
Vorstellbar ist, dass die befragten Mitarbeitenden die Arbeitsatmosphäre eher in der eigenen Einflusssphäre verorten, während die Unternehmenskultur die Sache des Managements ist. „Bezieht man sich auf das Management von Arbeitsatmosphäre und Unternehmenskultur, zeigen sich keine bemerkenswerten Unterschiede. Arbeitgeber bemühen sich um die Verbesserung der Arbeitsatmosphäre nur geringfügig mehr (6,75) als um die Verbesserung der Unternehmenskultur (6,56).“ Mit anderen Worten: für das Management scheinen Arbeitsatmosphäre und Unternehmenskultur identisch zu sein, wärhend Mitarbeitende hier einen deutlichen Unterschied sehen.
Ein weiteres Indiz bestehe darin, dass die Unternehmenskultur als Einflussfaktor auf die Arbeitsatmosphäre gesehen wird. Daher ist die Unterscheidung stimmig, dass Unternehmenskultur eher von oben nach unten vorgegeben und gelebt wird, während die Arbeitsatmosphäre auf der horizontalen Ebene von den Mitarbeitenden selbst erzeugt wird.
Ein zeitgemäßes familiäres Arbeitsumfeld
Vorbild für das „familiäre Arbeitsumfeld“ ist natürlich die Familie. Gemeint sind jedoch nicht die alten patriarchalen und paternalistischen Rollenbilder der Vergangenheit, sondern Faktoren, die eher in Richtung „caring organisation“ gehen. Das hat nicht nur mit neuen Familienstrukturen zu tun, sondern auch mit den Ansprüchen, die viele Mitarbeiter:innen an den Arbeitsplatz stellen. Geld alleine wird heute in vielen Fällen nur mehr als Schmerzensgeld angesehen und dient daher nur bedingt als Motivator. Belege für diese These finden wir weiter unten.
Was bringt das „familiäre Arbeitsumfeld“ wirklich? Einige Indizien für positive Effekte
Die Tatsache, dass viele Unternehmen auf Ihren Karriereseiten mit dem „familiären Arbeitsumfeld“ werben, ist weder ein Beleg dafür, dass die Unternehmen über ein solches Arbeitsumfeld verfügen, noch lässt dich daraus ein Rückschluss ziehen, ob die besungene Atmosphäre einen positiven (oder negativen) Einfluss auf die Arbeitsstelle hat.
Dijana Vitorovic analysierte in ihrer Masterarbeit „Mit Retention Management dem Fachkräftemangel entgegenwirken“ für einen großen Produzenten im Bereich Automobilzulieferung, welche Faktoren für eine längere Mitarbeiter:innenbindung verantwortlich sein können. Dazu präsentierte sie Best Practice Beispiele aus unterschiedlichen Unternehmen / Branchen, die sich in der Mitarbeiter:innenbindung hervortaten. Bei drei von acht Unternehmen wurde auf die „familiäre Arbeitsatmosphäre“ als Best Practice explizit verwiesen. Mit anderen Worten: Ein familiäres Arbeitsumfeld kann also ein wichtiger Faktor in der Anbindung und der Verweildauer von Mitarbeitenden in einem Unternehmen sein.
Auch der Stepstone Mittelstandreport aus dem Jahr 2025 liefert spannende Zahlen. Der Mittelstandreport ist relevant, weil über 80 % der Arbeitnehmenden sich bereits bei einem klein- und mittelständischen Unternehmen beworben haben. Die Zahlen des Reports gelten für Deutschland. Sie sind mit Sicherheit auch für Österreich anwendbar.
Das österreichische Bundesministerium für Wirtschaft zählte im Jahr 2023 579.500 Unternehmen in der marktorientierten Wirtschaft zu den KMU. Dies sind umgerechnet 99,7 Prozent aller heimischen Unternehmen in der marktorientierten Wirtschaft. Laut Studie geben 39 Prozent der Befragtenan, dass sie sich von der familiären Unternehmenskultur respektive der familiären Atmosphäre angezogen fühlen. Das „familiäre Umfeld“ ist also definitiv ein Faktor im Recruitment und in der Bindung von Mitarbeiter:innen an das Unternehmen.
Studien und Umfragen zur „familiären“ Arbeitsatmosphäre gibt es nicht besonders viele. Daher ist der von Christian Julmi und Kolleg:innen erstellte „Arbeitsatmosphären-Report 2024“ eine spannende Sache. Er fragt zwar nicht explizit nach einer – familiären – Arbeitsatmosphäre. Allerdings gibt es gute Gründe eine familiäre Stimmung am Arbeitsplatz mit einer guten Atmosphäre gleichzusetzen.
Überwältigende Ergebnisse
Die Autor:innen befragten 1000 Personen im Angestelltenverhältnis (Beamt:innen, Selbständige und C-Level-Manager:innen wurden explizit nicht berücksichtigt) in Deutschland. Man wollte „wissen, wie sehr die Arbeitsatmosphäre aus Sicht der Belegschaft (1) ihr Wohlbefinden, (2) ihre Zufriedenheit, (3) ihre Motivation und (4) ihre Arbeitsleistung beeinflusse. Um die Antwort vorweg zu nehmen: Die Fragesteller:innen bezeichneten die Ergebnisse als „überwältigend.“
Die Befragten mussten in einer Skala von 1 bis 10 angeben, wie stark eine gute Atmosphäre sich auf die vier genannten Faktoren auswirken würde (1=gar nicht, 10=sehr stark). „Bildet man eine Rangfolge, ist der Einfluss auf die Zufriedenheit am höchsten (8,89), gefolgt vom Wohlbefinden (8,87), der Motivation (8,82) und der Arbeitsleistung (8,69).“ Die Autor:innen schlussfolgern, dass eine gute Atmosphäre nicht nur wichtig ist für Motivation und Wohlbefinden, sondern auch für die Arbeitsleistung ist.
Bei der Gegenprobe – sprich die Frage inwieweit eine schlechtes Arbeitsklima sich negativ auf die genannten Faktoren auswirken würde – waren die Ergebnisse konsequent ähnlich. Es handelt sich also durchaus um solide Ergebnisse mit Probe und Gegenprobe. Die Schlussfolgerung der Autor:innen ist unmissverständlich:
„Im Gesamtbild zeigt sich davon unberührt, dass sich Atmosphären im Guten wie im Schlechten auf Schlüsselfaktoren des Personals und des Unternehmens auswirken. Arbeitsatmosphären mögen zu den ‚weichen‘ Faktoren zählen, sie scheinen sich jedoch knallhart auf ‚harte‘ Faktoren wie den Unternehmenserfolg auszuwirken. Diesen Umstand können Unternehmen aus unserer Sicht nicht länger ignorieren. Das Management von Arbeitsatmosphären erhöht nicht nur die Arbeitgeberattraktivität, es steigert auch die Gesundheit der einzelnen Mitarbeitenden und den wirtschaftlichen Erfolg des gesamten Unternehmens.“ (Chistian Julmi und Kolleg:innen; Seite 22)
Woran erkennt man ein echtes familiäres Arbeitsumfeld?
Nun zur vielleicht noch wichtigeren Frage: An welchen Indizien merken Mitarbeiter:innen, dass sie es mit einem echten positiven, familiären Umfeld zu tun hat? Das ist aufgrund der Vielschichtigkeit des Themas nicht allumfassend zu beantworten. Allerdings gibt es einige harte Fakten und viele weiche Indizien. Zunächst die harten Fakten aus der Studie von Christian Julmi und Kolleg:innen. Sie haben 15 verschiedene Faktoren präsentiert und den Einfluss besagter Faktoren auf die Atmosphäre abgefragt. Das Ergebnis:
„Es zeigt sich mit aller Deutlichkeit, dass strukturelle oder räumliche Faktoren für die Arbeitsatmosphäre zwar von Bedeutung sind, im Vergleich zu sozialen Faktoren jedoch eine untergeordnete Rolle spielen. Allen voran sind es die Kolleg:innen, das Team als Ganzes und das Verhalten der Führungskraft, die
eine Arbeitsatmosphäre prägen. Eine stimmige Kommunikation wird als weiterer entscheidender Faktor für eine positive Atmosphäre identifiziert.“ (Chistian Julmi und Kolleg:innen; Seite 25).
Mit anderen Worten: Ein schönes Büro, gute Prozesse sind wichtig für ein angenehmes Arbeitsumfeld. Viel wichtiger sind jedoch die sozialen, weichen Faktoren. Überspitzt könnte man sagen: Der Obstkorb ist nett, angenehme Kolleg:innen sind noch netter.
Die Frage ist also, wie Bewerber:innen bereits beim Recruitingprozess respektive während der Onboarding-Phase erkennen, wie das Arbeitsklima ist. Anders formuliert…
Worauf Sie als Bewerber*in oder Newbie achten sollten…
Wenig Fluktuation, alteingesessene Kolleg:innen
Man merkt es zum Beispiel daran, dass es wenig Fluktuation gibt und die Mitarbeiter:innen lange im Unternehmen sind. Häufige Wechsel sind oft – nicht immer – ein Indikator für eine schlechte Stimmung.
Home Office wird wenig nachgefagt
Wenn Mitarbeiter:innen trotz großzügiger Home-Office-Regelung gerne ins Unternehmen kommen, kann dies ein weiterer Indikator für ein familiäres Umfeld darstellen. Besonders dann, wenn viele Tätigkeiten ohne permanenten Absprachen möglich sind. Das Home-Office ist jedoch auch ein Faktor der zur positiven Atmosphäre beiträgt.
Kein Abfall nach der Onboading-Phase
In vielen Unternehmen versucht man neuen Mitarbeiter:innen die Einstiegsphase so leicht wie möglich zu machen. Es gibt sehr oft die Möglichkeit das unmittelbare Team noch vor Dienstantritt zu treffen. Ein intensives Onboarding bietet etwa eine Einschulungsphase mit unterschiedlichen Mitarbeiter:innen um schnell die wichtigsten Werkzeuge und Abläufe, aber auch unterschiedliche Kolleg:innen kennen zu lernen. Es kommt jedoch vor, dass die erhöhte Aufmerksamkeit mit der neue Mitarbeiter:innen teilweise „hofiert“ werden, schnell nachlässt…
In Unternehmen mit einer guten Atmosphäre ist dies deutlich weniger zu spüren. Die Willkommensphase schleift sich ein und geht nahtlos in den Arbeitsalltag über. Bei Unternehmen mit einer vermeintlich schlechteren Stimmung kann es nach der ersten Phase zu einem Bruch kommen.
Code of Conduct und veröffentlichte Philosophie werden gelebt
Es wurde bereits über Unternehmenskultur und Arbeitsatmosphäre gesprochen. Allein die Existenz des „Code of Conducts“, der eine Unternehmenskultur festschreibt, ist eine wichtiges Indiz. Dieser sollte auch eingehend besprochen (und gelebt) werden. Ein „Code of Conduct“ ist wie ein Geländer oder eine Reling. Er gibt Strukturen und Richtlinien, die sich dann auf ein gutes Arbeitsklima positiv auswirken sollten. Werden die festgeschriebenen Unternehmenswerte jedoch nicht gelebt, bekommen Mitarbeiter:innen dies schnell mit.
Individuell passende Lösungen für die Mitarbeiter:innen
Schnelle passende Lösungen die (potenziell) kritische Belastungen von Mitarbeiter:innen vermeiden oder auffangen, sind ein wichtiger Indikator für eine positive Arbeitsatmosphäre. Dies können ganz unterschiedliche Dinge sein: egal ob es sich um eine Linkshänder:innenmaus oder einen Sitzball handelt, die unbürokratisch bestellt werden. Oder es besteht die Möglichkeit von Gleitzeit für Mitarbeitende mit Kindern. Es könnten aber auch Schulungen zu Emotionsarbeit sein für Mitarbeiter:innen, die im ständigen Kund:innenkontakt stehen. Nicht zuletzt sind das Angebot von Supervision, Coaching oder Buddysystem starke Indikatoren.
Politik der offenen Tür und Störungen haben Vorrang
Bürogebäude in denen man überall geschlossene Türen vorfindet, können ebenfalls ein Indikator für eine schlechte Atmosphäre sein. Allerdings muss man auf den Kontext achten. Nicht jedes Großraumbüro ist ein Quell für eine positive Arbeitsatmosphäre und hin- und wieder ist es einfach unerlässlich die Tür hinter sich abzuschließen. Anders formuliert: Offene Bürotüren wirken einladend, verbessern die Kommunikation, führen zu schnelleren Lösungen und sind oft ein Hinweis auf Transparenz.
Die Rolle der Führungskräfte
Vorgesetzte, die nicht nur „vorgesetzt“ werden sondern ihre Mitarbeitenden partizipieren lassen, regelmäßiges Feedback geben und bei Überlastung frühzeitig eingreifen, tragen bereits viel zu einer gesunden und familiären Arbeitsatmosphäre bei. Wenn sie dann auch eine „offene Tür“ pflegen, kann das nur gut sein.
15 Einflussfaktoren auf die Atmosphäre
Auch Christian Julmi und Kolleg:innen untersuchen in ihrer Studie Faktoren, die einen unmittelbaren Einfluss auf die Arbeitsatmosphäre haben.
Insgesamt wurden 15 Einflussfaktoren abgefragt. Die Faktoren sind zwar recht allgemein gehalten, zeigen eines jedoch deutlich. Es sind die „weichen“ Faktoren, die mehr Einfluss auf die Atmosphäre haben, als die sogenannten Benefits in Form von Kantine, Sport- und Gesundheitsangeboten etc.
Das „Home Office“ dürfte bei einer Umfrage rein unter Büroangestellten einen höheren Wert erzielen. Auch der Faktor Work-Life-Balance ist in einem anderen Setting höher anzusetzen. Spannend finde ich jedoch, dass Betreuungsangebote für Kinder kaum eine Rolle spielen, auch Kantine und Gesundheitsangebote werden als unwesentlich für die Atmosphäre angesehen. Ein Faktor der noch interessant gewesen wäre sind die häufig angebotenen Mitarbeiter:innenfeste.

Ein erstes Fazit: Was man also sagen kann…
Unternehmen werben mit einem familiären Umfeld um Bewerber:innen und nutzen das das Thema gerne als Baustein für ein gekonntes Employer Branding. Was die „familiäre Atmosphäre“ nun genau ausmacht ist nicht so leicht zu definieren. Fix ist, dass die Kolleg:innen einen entscheidenden Faktor spielen und diese Tatsache sollte natürlich auch Einfluss auf das Recruitment haben.
Eine familiäre Arbeitsatmosphäre ist mehr als ein Marketing-Begriff: Sie hat messbare positive Auswirkungen auf „harte“ Unternehmensfaktoren wie Erfolg und Leistung. Unternehmen sollten das Management von Arbeitsatmosphären nicht länger ignorieren oder dem Zufall überlassen, da es sowohl die Unternehmensattraktivität als auch die Gesundheit der Mitarbeitenden und den wirtschaftlichen Erfolg steigert.
Sie kann dabei nie eine einzelne Maßnahme oder ein einzelner Faktor sein. Die positive familiäre Atmosphäre ist vielmehr ein Ergebnis eines ganzen Sets an Maßnahmen, die nicht unbedingt nur von der Führungsebene ausgehen müssen. Viele Faktoren spielen hinein und die familiäre Atmosphäre ist ein Ergebnis dieser Einflussfaktoren, die dann die positive Stimmung im Unternehmen entstehen lässt.
Die zentrale Botschaft lautet also
„Der Obstkorb ist nett, angenehme Kolleg:innen sind noch netter“. Mit diesem etwas saloppen Ausspruch lässt sich die Thematik sehr gut zusammen fassen, denn soziale Faktoren übertreffen strukturelle Benefits bei weitem in ihrer Wirksamkeit auf das gesamte Unternehmen.
Natürlich kann ein „allzu“ familiäres Umfeld auch kontraproduktiv sein. Aber dazu mehr im zweiten Teil des Beitrags.
Quellen:
- StepStone Österreich GmbH. „Wie attraktiv sind Österreichs Arbeitgeber?“ Employer-Branding-Studie, 2019.
- Birgit Parkos-Greber / Caroline Salzer. Aus der Praxis: Wie Employer Branding Arbeitgeber stärken kann. Personal Manager Magazin, 2024.
- Dijana Vitorovic. „Mit Retention Management dem Fachkräftemangel entgegenwirken“. MASTER THESIS, Alpen Adria Universität, Klagenfurt 2021.
- Julmi, C., Eifert, A., Dammert, J.E., Wittwer, S. (2024). Die Arbeitsatmosphäre im Vergleich. In: Arbeitsatmosphären-Report 2024. essentials. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-45074-8_2
- Stepstone Deutschland: Mittelstandsreport 2025: Kleine und mittelständische Unternehmen punkten bei Arbeitnehmenden mit Standortvorteilen. Presseaussendung.

