Inklusion am Arbeitsmarkt: Chancen und Herausforderungen für Menschen mit Behinderung in Österreich


Zum heutigen Internationaler Tag der Menschen mit Behinderungen 2024 ist es auch der JOBBERIE ein Anliegen, über die Inklusion von Menschen mit Behinderung am österreichischen Arbeitsmarkt nachzudenken.

Niemand wird bestreiten, dass die Integration von Menschen mit Behinderung eine der zentralen Aufgaben für eine gerechte und inklusive Arbeitswelt ist. Die JOBBERIE gibt einen kleinen Überblick:

Die aktuelle Situation: Zahlen und Fakten

Der Anteil von Menschen mit Behinderungen an allen unselbstständig Beschäftigten beträgt 13,9 %. Er ist höher bei den Selbstständigen, nämlich 17,0 %. Unselbstständige Beschäftigungsverhältnisse lassen sich weiter untergliedern in Lehrlinge, Arbeiter:innen, Angestellte und Freie Dienstnehmer:innen sowie Vertragsbedienstete und Beamt:innen.

In Bezug auf diese Untergruppen sind Menschen mit Behinderungen am stärksten bei den rbeiter:innen vertreten (19,0 %), gefolgt von den Vertragsbediensteten und Beamt:innen

Dieser Wert ist sehr stark zufallsbehaftet; hochgerechnet nur rund 7 400 Personen. 69 Dieser Wert ist sehr stark zufallsbehaftet; hochgerechnet nur rund 5 500 Personen. 92 von 212 Menschen mit Behinderungen in Österreich (14,1 %). Unterdurchschnittlich groß ist der Anteil von Personen mit Behinderungen bei den Angestellten bzw. Freien Dienstnehmer:innen (12,1 %) und insbesondere bei den Lehrlingen (6,8 %70).

In allen Vergleichsgruppen waren 2022 die Erwerbstätigenquoten bei Frauen niedriger als bei Männern. Frauen ohne Behinderungen waren zu 73,8 % erwerbstätig, Männer ohne Behinderungen zu 83,1 %. Bei Personen mit Behinderungen waren 52,9 % der Frauen und 58,2 % der Männer erwerbstätig.

Quelle: Statistik Austria

Rechtliche Rahmenbedingungen

Das Behinderteneinstellungsgesetz (BeinstG) ist eines der wichtigsten Instrumente, um die Inklusion von Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt zu fördern. Es verpflichtet Unternehmen mit mehr als 25 Mitarbeiter*innen, eine*n Beschäftigte*n pro 25 Mitarbeiter*innen einzustellen. So ergeben sich auch die ominösen 4-6% für Menschen mit Behinderung als Einstellungsziel (Bei 100 Mitarbeiter*innen wären es 4 Mitarbeiter*innen mit Behinderung). Wird diese Quote nicht eingehalten, müssen Unternehmen eine Ausgleichstaxe zahlen, die als Anreiz für die Schaffung barrierefreier Arbeitsplätze dienen SOLL. Die Taxen staffeln sich wie folgt:

Ausgleichstaxe im Jahr 2024 (Quelle Sozialminiterium)
Pro Monat und offener Pflichtstelle bei 25-99 Beschäftigten320 Euro
Bei Betrieben mit 100 bis 399 Beschäftigten pro Monat und offener Pflichtstelle451 Euro
Bei Betrieben mit 400 oder mehr Beschäftigten pro Monat und offener Pflichtstelle477 Euro

Darüber hinaus bietet das Bundesgesetz über die Förderung der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung (Behinderteneinstellungsgesetz) spezifische finanzielle Unterstützung für Unternehmen, die Menschen mit Behinderung einstellen, sowie Förderprogramme wie „Job-Coaching“, um den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Das Job-Coaching umfasst individuelle Betreuung und Unterstützung bei der Integration und Einarbeitung von Arbeitnehmern mit Behinderung.

Positive Entwicklungen

Erfolgreiche Integrationsprogramme

Speziell entwickelte Förderprogramme und Initiativen, sowie zahlreiche Vereine und Ehrenamtliche tragen maßgeblich dazu bei, dass Menschen mit Behinderung besser in den Arbeitsmarkt integriert werden. Individuelle Job-Coaching und Assistenzprogramme erleichtern die Integration von Menschen mit Behinderung im Arbeitsmarkt. Es gibt auch Integrationsunternehmen / Projekte, die sich auf die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung spezialisiert haben. Ein Beispiel ist das Café „Außergewöhnlich“ in der Nisselgasse im 14. Wiener Gemeindebezirk (weitere Praxisbeispiele siehe unten).

Technologische Unterstützung

Moderne Assistenztechnologien spielen eine Schlüsselrolle bei der Unterstützung von Menschen mit Behinderung im Arbeitsumfeld. Sprachsteuerung, Bildschirmlesegeräte, spezielle Tastaturen und maßgeschneiderte Software ermöglichen es vielen, trotz physischer Einschränkungen vollwertige Arbeitsleistungen zu erbringen. Aber entscheidend ist, dass Arbeitsplätze und Betriebsstätten per se barrierefrei sind.

Best Practice Beispiele

myability.jobs ist eine Jobbörse, die inklusive Jobs für Menschen mit Behinderungen & chronischen Erkrankungen in Österreich anbietet und somit einen wichtigen Beitrag bietet.
Zahlreiche Unternehmen haben gezielte Programme zur Förderung der Inklusion von Menschen mit Behinderung entwickelt und berichten von positiven Erfahrungen.

Stellvertretend sei der ORF genannt, der sich das Thema auf die Fahnen heftet und sogar einen eigenen Aktionsplan ins Leben gerufen hat. Das Beispiel ORF ist besonders spannend, da er in zwei Richtungen wirksam sein kann. (a) Durch die Einstellung von behinderten Menschen (b) durch Formate und Role Models für die gesamte Bevölkerung.

Die wichtigsten Eckpunkte des Aktionsplans:

  • Steigerung der Untertitelungs-Quote auf 57,4% bis 2026
  • Nach Möglichkeiten: Steigerung der Audiodeskriptions-Quote 8,7% bis 2026
  • Tägliche Nachrichten in Einfacher Sprache in einem ORF-Programm
  • Schwerpunktsetzung bei Österreichischer Gebärdensprache (z.B. Kindersendungen, Wahlberichterstattung)
  • Verstärkter Einsatz neuer Technologien

Nicht zuletzt plant man mit „Mach dich sichtbar“ ein Casting für Menschen mit Behinderungen. Sie können ihre Talente zeigen und vielleicht in der Werbung sichtbar werden. Die Initiative soll die Gesellschaft inklusiver machen. „Jugend am Werk“ organisiert mit dem ORF und dem Fonds Soziales Wien für Menschen mit Lernbehinderung eine Inklusive Lehrredaktion (ORF-Zentrum). Diese Redaktion ist im Wesentlich verantwortlich für die Nachrichten in einfacher Sprache. Zielgruppe sind junge Erwachsene ab 16 Jahren mit Lernbehinderung.

Unternehmen betonen, dass die Integration von Menschen mit Behinderung nicht nur die sozialen Verpflichtungen erfüllt, sondern die Kreativität und das Problemlösungsvermögen der Teams fördert.

Das Sozialministeriumsservice hat eine Liste mit über 100 Best Practice Beispielen zusammengestellt. Die Beispiele gehen von A wie Architektin in der Krankenhausplanung bis Z wie Zimmerer…

Herausforderungen

Trotz der positiven Entwicklungen gibt es nach wie vor zahlreiche Herausforderungen, die es zu überwinden gilt:

  • Bildungsunterschiede: Menschen mit Behinderung haben oft einen erschwerten Zugang zu höherer Bildung und beruflicher Ausbildung. Viele von ihnen können deshalb nur schwer in qualifizierte Arbeitsbereiche eintreten, die ein hohes Maß an Bildung und Fachwissen erfordern.
  • Fehlende barrierefreie Arbeitsplätze: Viele Arbeitsplätze sind noch immer nicht vollständig barrierefrei. Der Mangel an barrierefreien Räumen und fehlende Anpassungen in den Arbeitsumgebungen können zu erheblichen Hürden führen.
  • Vorurteile bei Einstellungsprozessen: Vorurteile und mangelndes Bewusstsein für die Fähigkeiten von Menschen mit Behinderung sind nach wie vor weit verbreitet. Eine oft unterschätzte Ressource ist die barrierefreie Rekrutierung, die potenziellen Arbeitgebern hilft, Menschen mit Behinderung besser zu integrieren.

Ausblick

Es ist einiges in Bewegung. Die Zahlen und die Best practice-Beispiele belegen dies. Aber es ist noch viel zu tun. Die Entwicklung geht – wenn auch sehr langsam – in die richtige Richtung. Inklusion ist nicht nur ein Gewinn für Menschen mit Behinderung, sondern für die Unternehmen und letztendlich die Gesellschaft als Ganzes.

Quellen:

  • Statistik Austria, Mikrozensus-Behindertenerhebung
  • Bundesministerium für Arbeit und Soziales
  • Österreichisches Behinderteneinstellungsgesetz

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